InsektensticheChicago; 2055© 1998 by Phil Lesenar Galen Knightsbride, genannt Mag, saß vorübergeneigt über seinen Datenpad und murmelte leise vor sich hin. Die magischen Symbole flitzten nur so über den kleinen Bildschirm in seinen Händen. Er fühlte, dass er schon ganz nah an der Lösung seines Problems stand. Die Frage verfolgte ihn schon seit langem. Die magische Formel war fehlerlos. Theoretisch müsste es funktionieren, praktisch tat es leider nicht. Aber jetzt! Die Formel »Die Kugel des Verschwindens« wurde durch seinen scharfen magischen Verstand auseinander gepflückt und wieder zusammengesetzt. Der Initiat dachte voll stolz: â��so muss sich Einstein gefühlt haben, als er seine Relativitätstheorie vor der Vollendung hatteâ��. Mags Finger schwebten über der Tastatur, seine Lippen formten die magischen Worte in das kleine Mikrofon, die Astralen Symbole vereinten sich, die Formel entstand vor seinen Augen... »Trzrzrzrzrzrz!!!!!«, wurde Mag aus seiner Konzentration brutal herausgerissen. Die Astrale Vollkommenheit löste sich in Nichts auf. Der Erzmagier stöhnte laut auf. Die Verwünschungen, die er nur mit Mühe zurückhielt, hätten bestimmt das halbe Zimmer demoliert. Wahrscheinlich nicht zum letzten Mal schwor sich Mag, dass er sein Anrufbeantworterframe anschalten würde, wenn er wieder forschte. Wütend hämmerte er auf den Schalter, die Verbindung wurde hergestellt und er bellte lautes »Ja?!« in seine Telekomeinheit. Nelly war dran. So aufgewühlt sah er sie noch nie. Ihre Augen brannten, ihre Haare standen wie elektrisiert auf ihrem Kopf. Der Erzmagier nahm hinter Nelly die Wand des Zimmers wahr, in dem er seine erste Initiationsprüfung absolviert hatte. Seitlich von ihr hatte sich der Wächtergeist materialisiert, den Alexej zum Schutz des Hauses beschworen und gebunden hatte. Mit steigendem Entsetzen beobachtete Mag wie der Elementar durch Manastränge in Fetzen gerissen wurde. »Mag! Es ist was Schreckli...«, ohne Gruß schrie sie ihn an. Die Wand hinter Nelly bäumte sich auf und alles verschwand im statistischem Rauschen. Die Verbindung war unterbrochen. Mag starrte wie gebannt auf seine nutzlose Telekomeinheit. Hastig wählte er die Nummer von Alexej, aber alles, was er zu hören bekam, war die Meldung, dass dieser Anschluss vorläufig außer Betrieb sei. Mag fluchte. Die magische Formel war jetzt vergessen. Es ging um ein Problem, das seine Freunde betraf. Sofort stellte er über seine interne Sprechverbindung Kontakt mit dem guten Evil Ed her. »Lass alles stehen und liegen«, sagte Mag hart, »Probleme bei Alexej. Matrixzugänge prüfen. Und zwar pronto.« Ed nickte nur kurz und ohne etwas zu sagen, unterbrach er die Verbindung. Mag erhaschte nur noch, wie sich Ed einen Stecker in seine Datenbuchse schob. Die Tür zu seinem Studierzimmer flog auf. Ohne anzuklopfen stürmte ein Junge herein. »Meister! Meister!«, stammelte er, ohne das Stirnrunzeln seines Mentors zu beachten. Mag wollte schon ein Vortrag über das Höflichkeitsritual des Anklopfens halten, aber bevor er zu Wort kam, riss ihn der Orkjunge aus seinem Sitz und schleifte ihn heraus aus dem Zimmer. Dabei stammelte Rokk eine Beschreibung über irgendetwas Schreckliches, Furchtbares, das gerade geschah. Mag verstand kein Wort. Dafür spürte er ES. Das Kribbeln der Macht. Mächtige magische Phänomene. Wildes Mana. Hungriges Mana. Mag wollte über seine eigene Gedanken lächeln, - wer hat den schon etwas über »hungriges« Mana gehört? -, aber irgendwie schaffte er das nicht. Blitzschnell erweiterte er seine Sicht in die magische Welt des Astralraumes. Es war nicht sichtbar. Aber es war spürbar. Irgendetwas ging hier vor. Und es war bestimmt nichts Gutes. Rokk zerrte ihn aus der Akademie auf die frische Luft (falls man die Luft in Chicago als frisch bezeichnen durfte). Mag keuchte entsetzt. Chicago brannte an einigen Stellen. Man hörte Schüsse, explodierende Granaten, Feuerbälle und andere mächtige Zauber versprühten ihre Energien. Der Himmel war voll. Mag hatte das Gefühl, dass es Tausende sein müssen. Das Gesicht des Zauberers wurde weiß und er schluckte trocken. Entsetzen lähmte ihn - fast. Er kannte die Gefahr. Er kannte den Schrecken. Der Himmel wimmelte von Insektengeistern. Trumans Tower wurde von den monströsen Körpern nur so umschwärmt. Der Erzmagier zögerte nicht. Alarm wütete durch seine Schule wie ein Orkan und schreckte alle auf. Die Trolllehrerin organisierte sofort mit militärischer Präzision Abwehrmaßnahmen, während Mag verzweifelt versuchte eine Verbindung mit Knight Errant zu bekommen. Keine Chance, Chummer! Die Leitungen waren überlastet. Besetztzeichen auf allen Frequenzen. So etwas ist ihm noch nie passiert. Wie schon oft an diesem Tag, fluchte der Magier vor sich hin. Das Knattern eines Sturmgewehrs riss ihn aus seinem Gedanken. Dark Angel lehnte sich aus einem Fenster und die APDS Munition ihre Waffe zerfetzte die Haut eines Insektengeistes in fleischlicher Gestalt, der durch die Büsche in ihre Richtung lief. Sie musste ihren vollen Streifen in die monströse Ungestalt leeren, bevor sie umfiel. Die Trollfrau namens Steamroller versammelte die Kinder um sich herum, Eve Donovan, Mags Lebensgefährtin, verteilte schnell die Waffen. Ein Schwarm von Insektengeistern landete auf dem Dach und fing methodisch an das Gebäude zu zerstören. Manaenergien der Kampfzauber lichteten zwar ihre Reihen, trotzdem wurde die kleine Gruppe um Mag herum zum Rückzug gezwungen. Nach kurzer Zeit tauchte Dark Angel in der Tür auf, in einer Hand den bewusstlosen Evil Ed schleppend, in der anderen Tod und Verderben spuckendes Sturmgewehr. Sie blutete von einer hässlichen Wunde auf der Stirn. Ein leeres Magazin klapperte beim Aufschlag auf dem Boden, sie rammte einen vollen, den sie zwischen den Zähnen gehalten hatte, in ihr Gewehr. Die Pause, während sie nicht geschossen hatte, war fast nicht merkbar. Für alle hörte es sich so an, als ob sie gar keine neue Munition bräuchte. Mit riesigen rückwärts gehenden Schritten versuchte Dark Angel ihre Freunde zu erreichen. Ein, zwei Meter hinter ihr tauchte eine auf zwei Beinen aufgerichtete Ameise in der Größe eines Pferdes auf. Die explodierende Ex-Explosiv Muni schien keine Wirkung auf das furchtbare Wesen zu haben. Aber der Dauerbeschuss verlangsamte mindestens seine Bewegungen. Seine Mandibel klickten hörbar. Unter dem freien Himmel sprang plötzlich das Insekt hoch, überflog das Automatikfeuer der verzweifelten Frau und hätte ihr den Kopf von den Schultern abgerissen, wenn er nicht von einem mächtigen Manaschlag an die Wand geschleudert worden wäre. Die angehenden Zauberer vereinten ihre Kräfte und der Insektengeist explodierte zu astralen Fetzen. Dark Angel hievte den bewusstlosen Ed auf ihre Schulter. Aus seiner Datenbuchse sickerte tropfenweise Blut. Mit schlafwandlerischer Sicherheit holte Dark Angel einen vollen Magazinstreifen aus der Tasche und klemmte es zwischen ihre Zähne. »Bie Broonen wind awwe auff Autopiwott«, erstattete sie Bericht. »Die haben sowieso keine Wirkung auf die Insektengeister«, widersprach Mag aus Erfahrung. Einzelne Angriffe konnte die Gruppe noch ziemlich gut abwehren, aber den Angriff eines gesammelten Schwarms war einfach zu viel. Sie wurden immer wieder weiter zurückgedrängt. Fast alle hatten inzwischen ein paar Schrammen davongetragen, aber am schlimmsten war Evil Ed verletzt. »Schon wieder stabilisiert«, schoss Mag durch den Kopf, als er ihn askennte. »Jetzt würden wir hier Leia brauchen, damit er schnell geheilt wäre.« Leider hatte keiner von ihnen Zeit einen Heilzauber zu wirken. Erst als sie sich in einem kleinen Zimmer verschanzt hatten, kümmerte sich Eve zuerst um die Wunden und Mag sprach anschließend einen Behandlungszauber über den Bewusstlosen. Ed kam zu sich. Durch das Knattern der Schüsse wurde er sofort hellwach und sprang auf, um sich an dem Spaß auch beteiligen zu können. Durch die Verletzung geschwächt taumelte er unter seinem MG, aber das Dröhnen der rausfliegenden Kugeln machte ihm sichtlich Spaß. »Ich kam gar nicht aus Chicago raus!«, schrie er, um den Lärm seiner Waffe zu übertönen, »Unser Matrixgitter ist vollkommen von der restlichen Welt abgeschnitten! Hier sieht es aber eigentlich nicht viel besser aus!« Und er feuerte eine Granate ab, als ob er den Insektengeistern helfen wollte, die Umgebung noch mehr zu zerstören. Ein Fahrzeug auf dem Parkplatz vor dem Hauptgebäude explodierte zu einem Feuerball, aber der Wespengeist flog unbeirrt und unbeschadet davon. »Wie oft soll ich sagen,« brüllte der Erzmagier ärgerlich, »dass gegen Geister keine Sprengstoffe wirken!« »Das war sowieso nur das Auto von dem verrückten Elf!«, grinste der gute Evil Ed fröhlich. Innerhalb der nächsten halben Stunde wechselte der Kampf durch verschiedene Räume. Die Anstrengung zerrte an den Kräften der Angegriffenen, sie wurden immer müder. Inzwischen ist es den Insektengeistern gelungen, die Gruppe zu trennen. Steamroller, Mag und die Schüler wehrten sich hinter einer Barrikade aus zerschlagenen Möbeln, die Trolllehrerin und Mag schwanken ihre Nahkampfwaffen, unterstützt durch die schwachen Versuche der Schüler, die Geister mit Hilfe inzwischen gelernter magischer Fertigkeiten zu vertreiben. Der Angriff war hart. Mag wurde zurückgedrängt. Seine vorzügliche magische Waffe erlaubte zwar nicht, dass er verletzt wurde, aber die Trolllehrerin sank bewusstlos zum Boden. Die Insektengeister brachen durch die Bresche und fielen wie hungrige Wölfe über die Kinder her. Als Mag sah, wie die messerscharfe Klaue eines Fliegengeistes einem seiner Schüler den Bauch aufschlitzte, die Gedärme des armen toten Kindes mit einem hässlichen Plumpsen auf dem Boden landeten, legte sich ein roter Schleier über seine Augen. Als er zu sich kam, waren alle Insektengeister tot. Vernichtet. Das Mana wogte in dem Zimmer wie Nebel einer vergangenen Zeit. Die Smaragdotter, sein magisches Schwert, pulsierte in seiner Hand und verbrannte seine Finger. Die Kinder standen mit schreckerweiteten glasigen Augen und jedes von ihnen vermied in seine Richtung zu blicken. Sie wimmerten leise. Mag hievte sich den schweren Körper der Trollfrau über die Schulter, als ob es nur eines von den Kindern wäre, knurrte die Kinder an, ihn zu folgen, und brach durch eine geschlossene Tür, als wäre sie aus Zuckerwatte. Die zwei Insektengeister erledigte er mit einem einzigen Hieb seines magischen Fokus, das Gewicht der bewusstlosen Lehrerin gar nicht wahrnehmend. Die Kinder schlurften folgsam hinterher, Schutzzauber murmelnd. Mit Mag vorne kämpfte sich die kleine Gruppe zu ihren Freunden durch. Der Erzmagier stampfte jetzt durch die Reihen der Insektengeister wie ein Sensemann durch Getreidefeld. Seine Magie umgab ihn wie ein undurchdringlicher Schutzschild, seine Waffe säte Verderben in die Reihen des Feindes. Die Insektengeister zogen sich zurück. Die andere Gruppe hatte auch einen schweren Stand. Es gab einfach zu viele Insektengeister. Die Kämpfe - fast könnte man es inzwischen Krieg nennen - dachte humorlos Dark Angel, wogten hin und her und hinterließen eine Spur der Vernichtung. Mags Lebenswerk, seine Schule, das Haus von Omnia Vincit Amor, alles wurde beschädigt oder vernichtet. Evil Ed half Emma sich um ihre Hauskatze zu kümmern. Die Katze lag schwer verletzt da, keiner hat eigentlich bemerkt, wann sie verwundet wurde. Aber als Mag mit den Kindern eintrat, fauchte das Tier und trotz der schweren Verletzungen wollte es sich auf Mag stürzen. Das war ja nichts neues. Die Katze mochte ihn nicht von Anfang an. Sie musste eine Beruhigungsspritze bekommen, damit sie kein Ärger machte. Das Hauptgebäude brannte. Die Flüchtlinge zogen sich in die unterirdischen Tunnel zurück, damit sie vor Angriffen aus dem Astralraum geschützt wurden. Auf der Erdoberfläche wimmelte es nur so von Insektengeistern. Durch den Rückzug in die unterirdischen Stollen hatten die Flüchtlinge eine Art Patt-Situation geschaffen. Die Geister konnten nicht ohne große Verluste angreifen, die Flüchtlinge konnten nicht raus. Das zerstörerische Werk auf der Oberfläche ging aber fröhlich weiter. Die Arbeit vieler Monate wurde systematisch vernichtet. Es gab keine Verbindung nach Außen. Alle Frequenzen wurden blockiert, Watcherkuriere wurden regelrecht abgeschlachtet. Innerhalb paar Tagen schafften es einige der Flüchtlinge aus Chicago, sich zu dem Tunnel durchzukämpfen, wo sie einerseits mit Begeisterung, anderseits mit Sorge willkommen geheißen wurden. Die Verstärkung war willkommen. Aber die Vorräte gingen langsam zu Neige. Als die Runnergruppe, die von Diria Longway geführt worden wäre, antraf, erledigte sich dieses Problem selbst. Sie brachten Vorräte und eine schlimme Nachricht mit. Diria war tot... Sie wurde von mehreren Insektengeistern zerfetzt, als sie eine Knabenschule beschützte. Firedeath, der Straßenmagier aus Dirias Runnergruppe, gab Mag ihre magischen Waffen und meinte: »Diria wünschte sich, dass die Waffen jemand von deinen Schülerinnen bekommt. Sie sollen helfen, das Ungeziefer auszurotten.« Mag nahm die Waffenfoki feierlich entgegen. |
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