Die Welt dreht sich immer weiter ...Shadowrun

In der Hölle

Panama; Ende 2052

© 2001 by Phil Lesenar

Der Übergang war hart. Er traf mit der Kraft eines von einem Drachen geschwungenen Vorschlaghammers. Alexej dachte, dass er pulverisiert wird. Aber Zeit zum Schreien fand er nicht. Die Übelkeit riss ihm auf die Knie und Alexej kotzte sich die Seele aus dem Leib.

Als er wieder zu sich kam, lag er auf der Erde, der Gestank seines Erbrochenen stach in seiner Nase, seine Muskeln hatten die Konsistenz von Gelee. Es dauerte fast fünf Minuten, bis sich Alexej zwei Meter zu der Höllenwand schleppen konnte. Er saß angelehnt und der säuerliche Geschmack wurde langsam mit den Speicheln ausgespült, die ihm, vermischt mit Blut, aus dem Mundwinkel tropften und sein Hemd rosarot verfärbten.

Es dauert eine weitere ganze Ewigkeit, bis sich Alexej soweit erholt hatte, dass er aufstehen und an der Wand abstützend weiter gehen konnte. Ohne zu wissen wohin, oder überhaupt eine leiseste Ahnung zu haben, wo er eigentlich war, taumelte Alexej in der Dunkelheit weg.

Die ganze Zeit ließ er das kleine Artefakt nicht aus der Hand.

Der Ausbruch der magischen Energien, die durch die magische Falle ausgelöst waren, berührte schwach ein Hunderte Kilometer entferntes zeitloses Kokon aus pechschwarzen blutschimmernden Manafäden. Die Fäden vibrierten, eine Schreckenswelle pflanzte sich fort. Der Kokon beherbergte irgendetwas. Es existierte oder auch nicht. Die Blutmagie, die zur Erschaffung dieses Kokons führte, war uralt und durch zahlreiche Opfer erst ermöglicht. Als die magische Falle zuschnappte und Alexej durch die Welt schleuderte, führte das kurzfristige Ansteigen des Mananiveaus zur Bruch eines der Fäden.

Der Kokon hörte auf zu vibrieren. Die Kreatur im Innern wurde aus der äonenandauernden Nichtexistenz geweckt. Sie schwebte an der Grenze zwischen Sein und Nicht-Sein. Die Welt hat sich weitergedreht.

Die Kälte packte so fest zu, dass ihr der Atem wegblieb. Bonita drehte durch. Sie lief schreiend los. Und rutschte ab.

Sie wusste, dass es aus ist. Sie spürte schon das eisige Ausatmen der Kreatur hinter ihr und es war ihr klar, dass sie nicht einmal Zeit zum Umdrehen finden würde, um ihren eigenen Tod in die Augen schauen zu können. Sie war zu langsam.

Die Hitze fegte über sie hinweg, setzte ihre Kleidung in Flammen und ließ die Kreatur hinter ihr aufbrüllen.

Der nächste Feuerball folgte sofort.

So kalt, wie ihr vorher war, war ihr jetzt heiß. Zu heiß. Sie wälzte sich auf dem Boden, um die Flammen zu löschen, die ihre Haut verbrannten. Von ihrer Bekleidung blieben nur Fetzen.

Das Untier hinter ihr brüllte immer noch, als der junge Mann, der so verrückt war, über sie die Feuerbälle zu zaubern, an ihr vorbei gelaufen war und sich in den Kampf stürzte.

Als es ihr gelungen war, die Flammen zu löschen, war auch der Kampf hinter ihren Rücken vorbei. Der junge Mann stand schwankend neben dem großen Untier und wollte sich mit der Hand abstützen. Als er aber die Hand auf das tote Tier auflegte, sprang er wie von einer Tarantel gestochen zurück und schimpfte. Sie glaubte mindestens sechs oder sieben Sprachen herauszuhören. Er schimpfte ohne sich zu wiederholen. Einige von den Sprachen beherrschte sie auch, da wusste sie, dass er die Kälte des Aases verfluchte.

Bonita sah, dass der Mann am Ende seiner Kräfte war. Er stank nach Kotze und Blut. Es hinderte sie trotzdem nicht, ihm zu umarmen und ihm für die Rettung zu danken. Auf englisch, weil sie glaubte, dass es seine Muttersprache sein könnte. Sie war sich überhaupt nicht sicher, aber ihrer Meinung nach kamen die Schimpfwörter auf englisch ohne Akzent.

Er schaute sie ein bisschen verlegen an, aber dann lächelte er breit. "Es ist normalerweise nicht meine Art, Mädchen in Not beizustehen. Schätze, dass..." Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Er löste sich von ihr und fragte. "Wo sind wir hier?"

"Was ist das?", konterte sie mit einer Gegenfrage und zeigte auf das Untier.

Er warf nur ein kurzer Blick darauf, als ob er vergessen hätte, dass dort der große Fleischberg verbrannt und mausetot lag. Dann zuckte er mit den Schultern, "ich schätze, dass das ein Eiswurm ist. Wie heißt du?" Er schaute sie so sonderbar an, wie es manchmal die erwachten Metamenschen tun, die magische Gene haben. Wahrscheinlich sondierte er gerade ihre Aura. Es war ihr nicht recht, dass er ihr in den Kopf schauen konnte. Sie schüttelte schnell den Kopf und machte ein paar Schritte zur Seite. Ob der junge Zauberer damit behindert wurde, wusste sie nicht, aber warum sollte sie sich vor ihm nackt präsentieren. Dann lächelte sie schwach, weil ihr klar wurde, dass sie jetzt eigentlich genau das tat, weil von ihrer Kleidung nicht viel geblieben war. Nur es ist ein gewaltiger Unterschied, wenn jemand ein paar verbrannten Hautflecken sieht oder die intimsten Gedanken.

"Nenn mich Bonita", sagte Bonita und gab ihm die Hand.

"Alexej", stellte er sich vor und nahm die angebotene Hand. Er schüttelte sie sanft mit festem Händedruck und schaute ihr dabei in die Augen. Er hatte tolle Augen. Von einer unbestimmten Farbe mit Lachen drin, aber trotzdem auch ein bisschen kalt. Es erinnerte sie an ein Kaleidoskop. Kantige Emotionen immer in anderen Mustern. Hart und weich, kalt und warm, mit Liebe und Hass gefüllt.

"Wir müssen dich verarzten", meinte er. "Warte, bis ich ein bisschen Luft geschnappt habe, dann heile ich dich."

Und er taumelte ein paar Schritte zur Wand und setzte sich.

Sie kam zu ihm, setzte sich daneben und fing an zu zittern. Schock, sie wusste, dass erst jetzt der Schock kam, aber sie konnte nicht dagegen ankämpfen.

Die Schlange der Elfen war groß. Und alle warteten auf das Fällen eines Urteils. Pandora musterte kalt den vor ihr stehenden jungen Menschen. Er war jung, so jung. Und das Problem war, dass er nicht älter werden konnte. Sie musterte den jungen Dieb, dessen Namen sie sich nicht einprägen wollte. Wozu auch? Sie kannte genug Namen, deren Tod sie verursacht hatte. Pandoras Gesicht war eine nichtssagende Maske.

Unbarmherzig fragte sie: "Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?" Das aztlanische Spanisch kam so locker über ihre Lippen, als ob sie es von Geburt an gesprochen hätte. Sprachen zu lernen machte ihr nie Schwierigkeiten.

Der Junge stammelte Entschuldigungen und Drohungen. Drohungen, die so lächerlich waren, dass sich Pandora nach kurzer Zeit dabei erwischte, wie sie weghörte. Sie ließ ihn ausreden. Diese kurze Zeit war ihr Geschenk für ihn.

Dann drehte sie sich wortlos um und sagte: "Tötet ihn!"

Seine Schreie um Gnade verhallten wirkungslos hinter ihren Rücken. Ohne eine Miene zu verziehen verließ sie den Saal. Sie konnte sich sicher sein, dass ihre Wachen ihren Job ohne besondere Brutalität, aber auch ohne besondere Gnade erledigen werden. Schnell und schmerzlos wie es nur eben geht.

Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer, setzte sich und starrte gedankenverloren ihr Datapad an.

Dann legte sie ihren Kopf auf ihre Hände und weinte bitterlich.

Der Heilzauber war nicht mächtig, trotzdem fühlte sich Alexej wie gerädert, als er ihn gewirkt hatte. Sofort ging es dem Mädchen besser. Für eine Elfe war es nicht besonders hübsch, dafür war ihr Gesicht zu menschenähnlich. Wenn es nicht die langen Ohren wären, wäre es die kurvenreiche Figur mit schmalen Brüsten gewesen, die ihr elfisches Blut verraten hätte. Sie war ihm eigentlich sympathisch. Alexej wusste nicht, ob es dadurch kam, dass er ihr das Leben gerettet hatte oder daran, dass er hier, in Aztlan, ungern alleine wäre. Aztlan, als Bonita ihm gesagt hatte, wo sie sich befinden, wollte er ihr zuerst nicht glauben. Im Herzen von Panama. Vor kurzem noch im Prag und jetzt mitten im Panama. Am liebsten würde er wieder fluchen, aber er ließ es lieber. So gut kannte er Bonita nicht und Alexej hatte schon immer Schwierigkeiten damit, etwas über sich "den anderen" zu erzählen.

Bonita stand am Ende (oder Anfang, je nachdem, wie man's sieht, schoss Alexej durch den Kopf) und lugte vorsichtig um die Ecke. Er stand hinter ihr und bewegte sich nicht. Es sollte hier gefährlich sein. Und wo denn nicht? Alexej wollte sich schon über sie vorbeugen, um etwas sehen zu können. Aber in dem gleichen Moment drehte sich Bonita um und mit aschfahlem Gesicht flüsterte sie ihm zu: "Lauf! Lauf, so schnell du kannst!" Ohne auf eine Antwort zu warten lief sie los.

Der Drache in seiner Metamenschengestalt saß Pandora locker gegenüber und lächelte sie freundlich an. "Ich hoffe, wir verstehen uns", hörte sie in ihrem Kopf. Es war eine Unverschämtheit, fand sie, weil er sich seiner ureigenen Fähigkeit, mit anderen Wesen telepathisch zu kommunizieren, bediente, obwohl er in seiner elfischen Gestalt ohne weiteres sprechen könnte. Dann stand er auf und ging zur Tür.

"Der große Drachenjäger soll dich holen, Sea Sue Quen", sagte sie gehässig.

Er drehte sich um und sie hörte noch mal die unheimliche Stimme in ihrem Kopf: "Wenn der verdammte Zwerg recht hat, könnte es sogar passieren, meine Liebe! Das könnte sogar passieren..."

Und weg war er.

"Verdammte Biester!", schimpfte Pandora und betätigte eine Taste: "Schicken Sie bitte General Oggreriver zu mir."

Sie musste nicht lange warten.

Der dickliche Elf setzte sich zu ihr hin und sie erzählte ihm von dem Besucher und seinem Anliegen.

"Drachen", spuckte Oggreriver aus. "Schade, dass sie nicht mit den Dinosauriern ausgestorben sind! Was machen wir? Jetzt stecken wir in einer Zweckmühle. Ich will keinen Ärger haben. Gegen Aztlan oder Tir Tairngire können wir uns nicht behaupten und CAL haben genug Probleme. Wir sind auf uns selbst gestellt. Meine Gebieterin, ich hasse es sagen zu müssen, aber wir müssen uns der Blutmagie bedienen!"

Im Pandoras Gesicht verzog sich keine Miene. "Das habe ich mir schon gedacht. Ich habe nur gehofft, dass du mit einem anderen Vorschlag aufwarten würdest..."

General schüttelte den Kopf.

"Dann lass die Magier kommen."

General sprang auf und salutierte: "Zu Befehl!"

Als er die Tür hinter sich schloss, wurde Pandora fast von ihrem Kummer überwältigt. Aber diesmal kämpfte sie dagegen an.

Die Flucht dauerte nicht lange. Sie wurden nicht verfolgt. Mindestens bemerkten sie niemanden. Bonita führte Alexej durch die verschlungenen Gänge. Sie mussten raus. Raus aus diesem Labyrinth der Gänge, raus aus dem Berg. Bonita war auf der Flucht, sie wollte nur weg. In der elfischen Gesellschaft, in der sie bis jetzt lebte, fühlte sie sich nicht sicher. So erzählte sie es Alexej.

Plötzlich wurde sie von ihrem Begleiter an der Schulter gepackt. "Spürst du es?", flüsterte er aufgeregt. "Nein", korrigierte er sich sofort, "du kannst es doch gar nicht spüren... Jemand wirkt mächtige böse Magie..." Er schaute sie grimmig an. "Beeil dich. Lauf! Wenn es wegen uns ist, dann sind wir verloren, dagegen kann ich uns nicht abschirmen. LAUF!"

Alexej rannte los. Er hielt sich in der Nähe von Bonita, wahrscheinlich nicht wegen seinem nicht vorhandenen Beschützerinstinkt, sondern einfach nur deswegen, weil sie ungefähr gleich schnell war wie er. Er achtete gar nicht darauf, wo sie hin liefen, Hauptsache weg, weit weg von diesem verfluchten Berg. Aber jetzt waren sie immer noch unten, die unterirdischen Stollen ließen sie nicht flüchten. Alexej hatte eher den Eindruck, dass sie immer tiefer eindrangen. Die magischen Wogen, die er in seinem Rücken spürte, verwandelten den Astralraum in hungrige unwirtliche Gegend. Alexej war nicht irre, er riskierte keinen Blick. Er wollte sich seinen gesunden Menschenverstand behalten. Was er auch immer wert sein mochte. Grimmig rannte er weiter. Sie liefen um ihr Leben und die Ansammlung von Mana kroch hinter ihnen her.

Es wurde heißer. Als sie um eine Ecke bogen, standen sie am Rande eines Lavasees. Es war drückend heiß und die Luft ließ nach dem langen Lauf ihre Lungen verkrampfen. Sie husteten sich fast die Seele aus dem Leib. Sie waren gefangen. Es gab kein Ausweg.

Bonita keuchte auf und Alexej riss die Augen erschrocken auf, als sie die mächtigen magischen Energien aus den Gängen rauskriechen sahen. Das war fast unmöglich. Der Zauber war so mächtig, dass er aus dem Astralraum sichtbare Spuren in die normale Welt warf. Bonita rief ein Gebet, Alexej fluchte in verschiedenen Sprachen. Keine Fluchtmöglichkeit. Sie schlossen schon mit dem Leben ab und bereiteten sich auf den Tod. Alexej mobilisierte alle Kräfte, die ihn zur Verfügung standen. Er wollte nicht kampflos untergehen. Es war ihm klar, dass er keine Chance hatte. Aber mindestens einen symbolischen Schatten einer Abwehr wollte er liefern.

Dann war die Magie über ihnen.

Und kroch vorbei.

Alexej fiel die Kinnlade runter. Die Magie bohrte sich in den Lavasee, ließ das Magma unberührt. Alexej stand dort und starrte immer noch auf den See und die Energien. Er überlegte bereits, doch einen Blick in den Astralraum zu riskieren. Seine Neugier drohte ihm zu überwältigen.

Dann explodierte der See.

Bonita und Alexej hasteten hinter die erstbeste Deckung, als die glühenden Tropfen mit Zischen neben ihnen landeten.

Der See brodelte, schäumte und wölbte sich. Dann brach eine gigantische Blase durch, blieb in der Luft schweben und dampfte.

Bonita zog Alexej fort. "Komm! Wir müssen verschwinden, solange noch Zeit ist!"

Alexej wehrte sich: "Warte, warte mal, was geht hier vor?"

"Ich weiß es nicht und ich will es auch gar nicht wissen, komm endlich!

Als sie Alexejs Miene sah, zuckte sie mit den Schultern und lief los. Dort in der Hölle bleibt sie keine Sekunde länger.

Die Blase platzte auf. Eine Schatulle schwebte aus ihr. Alexej hielt es nicht mehr aus und verlagerte seine Wahrnehmung auf Astralraum.

Gleißendes Licht und unendlich zeitloser Schmerz bohrten sich in seinen Kopf. Alexej hatte das Gefühl, dass sein Gehirn durchgeschmort und seine Essenz in Tausende Stücke gesprengt wird. Er ließ die astrale Wahrnehmung fallen, aber es war zu spät. Er war blind, taub und gefühllos.

Das einzige, was er noch wahrnahm, war der bohrende Schmerz gequälter Kreaturen. Er wollte Nelly, seine Geistverbündete rufen, aber sie konnte seinen Ruf ja nicht hören. Erst in einigen Wochen. Alexej wagte nicht zu stöhnen. Er verhielt sich so leise wie nur möglich. Er wollte gerne weglaufen, nur er wusste nicht, wie und in welche Richtung. Unmenschliche Schreie unterbrachen seine Taubheit und auch die Sicht kehrte langsam zurück. Als er endlich sehen konnte, wünschte er sich, er wäre immer noch blind.

Die Angst verlieh ihren Beinen Flügel. Bonita rannte. Schon wieder. Die Muskeln bewegten die bleiernen Beine, aber sie gönnte sich keine Pause. Weg von dem was hinter ihr passierte, weg von dem jungen Mann, der ihr das Leben rettete und jetzt wegen Neugier sein Leben aufs Spiel setzte. Sie lief.

Die Geister tauchten vor ihr auf, Totengräbern bei einem Begräbnis gleich. Vor ihrem geistigen Auge sah sie schon wieder, wie sich ihr eigener Grab vor ihr auftat. Sie war so entsetzt, dass sie nicht einmal schreien konnte.

Die Blutgeister eilten an ihr vorbei. Alle. Bis auf einen.

Der eine Blutgeist blieb stehen und heulte vergnügt, als er sie so bestürzt vor sich sah. Der Geist schwebte näher. Er bestand nur aus Knochen, Blut und verzerrtem Mana. Eine Kreatur, die es nicht geben dürfte.

Bonita wollte fliehen, aber sie konnte sich nicht rühren. Eine heiße Träne kullerte ihr die Wange herunter, dass war die einzige Regung, zu der sie fähig war. Mit entsetzlicher Langsamkeit schwebte der Geist näher und berührte sie leicht an der Wange, fing die Träne auf und leckte sie mit einer menschlich aussehenden Zunge ab. Das Blut, aus dem er bestand, blubberte und brach seine Knochen auf, um aus dem Knochenmark ein Auge zu formen, das wie ihr eigenes aussah.

Bonita war gelähmt. Der Geist schmiegte sich an sie, sie spürte die gebrochenen Knochen, die Muskelstränge, die ihr unter das Kleid krochen, das Blut des Geistes, das sich mit ihrem eigenen Schweiß vermischte. Sie spürte das Grauen überall. Es zischte, brodelte und drang in sie rein.

Ihr Körper zuckte konvulsivisch, als die Wellen der Ekstase kamen. Der Schmerz und der Verlust ihrer Selbst ließen sie schreien. Die Qual und die Euphorie des Essenzentzugs vermischten sich und veränderten Bonita für immer. Sie konnte schon den heißen Atem des Todes in ihrem Nacken spüren, oder war das nur der Blutgeist, der durch ihr Leben immer mächtiger wurde?

Die übermächtige Blutmagie hatte auch Auswirkungen an den weit entfernten Kokon. Wenn Pandora wüsste, was das Ritual mit sich bringt, hätte sie vielleicht Abstand davon genommen. Aber sie konnte es ja nicht wissen.

Die verstreute und verloren gegangene Energie des Ritualzaubers wurde von dem Kokon aufgesogen wie Wasser von einem trockenen Schwamm. Die wegen dem frischen Blut pulsierenden Manafäden tränkten die Fäden des Kokons und aus dem harten Gefängnis wurde ein nachgiebiges Nest.

Die Kreatur wusste noch nicht ihren eigenen Namen, wusste nicht, dass sie freikommen will, wusste gar nichts. Die Freiheit war immer noch Jahre entfernt, nicht mehr die Jahrhunderte wie noch vor kurzem. Die Kreatur wusste nichts.

Oder?

Ein Name, ein Name bildete sich irgendwo in dem komplizierten Gebilde des früher so messerscharfen Verstandes. Es war nicht der eigene, aber es war ein Name, der nur das Beste verhieß. Aina. Aina. Aina. Aina. Aina.

Eine unter schwerer Last taumelnde Gestalt tauchte aus dem Berg heraus. Sie trug eine andere bewusstlose Gestalt in den Händen und schwankte dem Urwald entgegen. Wäre ein astral wahrnehmender Zeuge zugegen, würde er mit Erstaunen feststellen, dass die flüchtende Gestalt fast emotionslos und eher wie ein Automat dachte. Keine Erinnerungen, keine Freude, kein Leid. Als ob eine gefühlsunterdrückende Droge vor kurzem verabreicht wäre.

Das war aber nicht der Fall.

Alexej wollte nur nie wieder an die letzten Minuten erinnert werden. Nie wieder. Er wollte nie wieder daran denken, wie die Blutgeisterhorde sich an die Schatulle gestürzt hat, wie sie kratzten und heulten, um an das, was drinnen versteckt sein musste, zu kommen. Der Anblick und die Geräusche werden ihn noch oft genug Albträume bescheren. Warum sollte er dann jetzt daran denken? Die Blutgeister zerfetzten sich gegenseitig, jeder wollte der erste sein, der die Schatulle aufkriegte. Als es endlich passierte, war Alexej längst auf der Flucht, das Artefakt, was ihn hierher gebracht hatte, fest in der Hand. Bonitas entsetzliche und trotzdem irgendwie lustvolle Schreie hätten seine Geschwindigkeit bestimmt noch erhöht, wenn er nicht bereits so schnell wie er nur konnte lief. Er kam, sah und siegte. Das Grauen über dem Lavasee brannte noch in seinem Verstand, deswegen hatte er keine Angst vor diesem einzigen Blutgeist. Er war seinen magischen Kräften sowieso nicht gewachsen. Alexej brach wie Apokalypse über ihn und vernichtete ihn auf der Stelle. Zerfetzte seine pervertierte Existenz und löschte ihn für immer aus dieser Welt. Wie er anschließend den Ausgang gefunden hatte, wusste er nicht.

Der Dschungel nahm sie beide in sich auf, wie Mutter ihre verlorenen Kinder. Alexej tauchte in die grüne Dämmerung mit einer Erleichterung, die man eher von einem Urmenschen erwarten würde als von einem in der Zivilisation aufgewachsenen Mann. Alexej wusste nicht, ob Bonita noch lebte, aber er trug sie wie ein in Endlosschleife gefangener Robot weiter. Das Artefakt drückte ihn gegen die Rippen, aber auch diesen Schmerz nahm er nicht wahr. Er dachte nicht, er wollte sich nicht erinnern.

Nie wieder.
 

 
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