Die Welt dreht sich immer weiter ...Shadowrun

Der gekaufte Zwerg

Siggi Argbär; von 04.05.2056 bis 06.05.2056

Phil Lesenar

Ich starrte auf die Bedienungsanlage und erwartete den großen Knall.

Wir waren auf einem Run. Für unseren Chummer Alexej sollten wir einen magischen Dolch beschaffen. Das hatten wir auch geschafft, nur jetzt wurden meine Mitrunner zu gierig.

Al, unser Magier, wollte die Wand eines Tresors wegzaubern, zerstören, wegpusten, pulverisieren. Es interessierte ihn, was sich da drinnen befand. Es war sehr gut gesichert, deswegen musste es wertvoll sein. Ich wusste, was es war. Es war das Auge Gottes, und für mich besaß es den Wert einer Viertel Million Nuyen.

Ich wusste, wenn es Al gelingen sollte, in den Tresorraum einzudringen, würde es eine gewaltige Explosion geben. Ich betete zu Der-Wasser-in-Bier-verwandelt, unserem Avatar, dass es gut gehen würde. Ich wollte schließlich nicht mit dem Tod meines Chummers auf dem Gewissen weiter leben. Ich wollte die Viertel Million und keine Leichen.

Ich gab den mir bekannten Entsperrungscode in die Anlage ein und wartete bis die Explosion das Haus erschütterte. Ich ließ die Tür aufgleiten und drückte den Panicbutton, der mit der Knight Errant Zentrale verbunden war. Jetzt ging’s um jede Sekunde. Wenn meine Infos stimmten, und ich betete, dass richtig waren, hatten wir ca. drei Minuten Zeit, bevor der Hubschrauber eintreffen sollte.

Ich hörte Schreie, durch die geöffnete Tür sah ich, wie die Trümmer eines Fensters und Wandstücke auf die Straße regneten. Ich rief meinen Luftelementar Diebeshauch und befahl ihm, das Auge Gottes mitzunehmen. Der Elementar sollte uns folgen, bis er mir das Auge Gottes aushändigen konnte. Der Feuerelementar, der in dem Tresorraum hocken sollte, würde bestimmt Al verfolgen und nicht auf meinen Diebeshauch achten. So war der Plan.

Spoty, Flinx und Al stürzten die Treppe mit wahnsinniger Geschwindigkeit herunter, sie nahmen vier Stufen auf einmal, um schneller zu sein. Ich rannte als erster aus dem Gebäude der Star Walker Corporation. Meine Chummer waren dicht hinter mir. Al sah ziemlich mitgenommen aus, aber er lebte. Weil er in die Richtung von unserem TT50 lief, eilte ich hinter Spoty her. Ich musste mit ihr fahren, weil sie die beste Chance besaß, von hier heimlich zu verschwinden. Der Feuerelementar würde Al verfolgen, hoffentlich gelingt es ihm zu entkommen, bevor Knight Errants auftauchen.

Spoty enttäuschte mich nicht. Auf die Frau war Verlass. Wir tauchten im Straßendschungel unter. Bevor wir aus der Reichweite unserer Komlinks kamen, hörte ich noch Schreie, als der Feuerelementar das Auto mit Al und meinen Chummern zum Stehen brachte.

Dank Spoty entkamen wir ohne besondere Probleme, später rief Al an. Sie waren durch die Kanalisation entkommen, ziemlich fertig, aber alle lebend. Der TT50 war Schrott und als Trophäe Knight Errants überlassen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Keiner von uns war tot und in dem Wagen konnte man bestimmt nicht zu viele Spuren finden.

Im geeigneten Moment bekam ich von meinem Diebeshauch das Auge Gottes. Der Run war voller Erfolg.
 

Rückblende

Als ich ihm da an der Straßenecke stehen sah, kam er mir sofort irgendwie bekannt vor. Ich konnte ihn aber nicht so richtig einordnen. »Wo hab’ ich den Typ bereits gesehen?«, fragte ich mich.

Als ich fast bei ihm war, sprach er mich auf Deutsch an: »Hallo, Sarg. Es ist lange her, nicht wahr?« Er stieß sich betont lässig von der Wand ab, kam zu mir und starrte auf mich herunter. Das war nicht schwierig, wenn man ein Norm war, weil ich ja ein Zwerg war. Ich erwiderte den Blick und endlich erinnerte ich mich. »Hallo Lochgucker«, meinte ich neutral. Ich wusste ja nicht, ob er Ärger bedeutete oder nicht. Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er ein Runner. Und auf dem besten Weg zum Ausgebrannten Magier. Cyberware und Magie vertragen sich nicht gut. Ich erinnerte mich auch, wo ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Es war in Duisburg und er unterhielt sich mit Harlekin. Wenn ich mich nicht irrte, gab es später auf der Straße Gerüchte, dass Lochgucker bei Mitsuhama angeheuert hatte. Vielleicht stimmte es sogar, denn wie er vor mir in seinen Pinkelklamotten und dem Gesichtsausdruck eines Herrn Schmidts stand, stank er wirklich nach Kon.

»Hast du Zeit auf 'nen Drink?«, fragte er mich, und als ich nur stumm nickte, fuhr er fort, »hier in den UCAS kannst du mich Searcher nennen, Lochgucker nennt man mich in der ADL.«

»Und, was machst du, Searcher?«, fragte ich auf englisch.

Schweigend führte er mich in ein näheres Pub. Zur Zeit war die Besucherzahl ziemlich niedrig. Die Konpinkel hatten noch keinen Ausgang und für die Nachtratten war es noch zu früh.

Searcher bestellte uns je ein echtes Guinness. Nach mehr als einem Jahr mit Al hatte es mich nicht so sehr beeindruckt, wie es getan hätte, als mich Searcher das letzte Mal gesehen hatte. Ich nippte schweigend an meinem Bier und wartete geduldig, bis er anfängt zu reden. Auch Searcher nahm einen Schluck und versuchte es zunächst mit ein bisschen Smalltalk.

»Ziemlich weit Weg vom Duisburg, oder?«

Ich nickte still und wartete weiter. Irgendwie hatte ich nicht unbedingt ein gutes Gefühl bei der Sache.

»Wie geht’s dem Giftzwerg Marlow, zittert er immer noch vor dem Halleyschen Kometen?«

»Er hat ausgezittert«, sagte ich kalt, »Marlow ist tot.«

»Oh, tut mir leid, es zu hören«, dann bedachte er mich mit einem Blick, bei dem mir eine elektrisierende Kälte meine Wirbelsäule vibrieren ließ. »Aber erwartet das nicht jeden von uns?«

Ich blickte ihm scheinbar unbekümmert in seine goldene Augen, hob mein Glas und prostete ihm zu. Ich wusste, dass die goldenen Augen nur eine Illusion waren, aber trotz meiner Fähigkeiten schaffte ich es nicht, die Illusion durchzuschauen. Obwohl, wer weiß, vielleicht war das keine Illusion mehr. Damals war er auf dem besten Weg, als ausgebrannter Magier zu enden. Es könnte sein, dass er das inzwischen geschafft hatte. Und seine Lieblingsmaske, goldene Cyberaugen, hatte er sich vielleicht einoperieren lassen. Doch nicht so taff, Chummer, dachte ich hämisch und zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.

»Ich habe das untrügliche Gefühl, dass du was von mir willst.«

Er schüttelte bedächtig den Kopf, dann nickte er kurz und meinte: »O.K., lassen wir die Vergangenheit ruhen. Kommen wir zum Geschäft. Wie ich gehört habe, habt ihr vor, in Star-Walker-Laboratorien einzusteigen.«

»Star Walker, Star Walker, ich glaube«, meinte ich nachdenklich, »den Namen habe ich schon gehört, aber warum sollte ich bei ihnen anfangen zu arbeiten oder wen meinst du mit ihr?«, tat ich einen Unwissenden.

»Es gibt etwas in dem Gebäude, was ich haben will«, fuhr er fort, meine Bemerkung vollkommen ignorierend. »Auf dem Markt würde es nicht viel Geld bringen, ich schätze mehr als 100K würdest du dafür nicht bekommen. Ich biete dir eine Viertel Million Nuyen.« Er ließ die Zahl in der Luft hängen, während ich mich schon im Geld schwimmen sah.

E-i-n-e   V-i-e-r-t-e-l &mbsp; M-i-l-l-i-o-n ließ ich mir auf der Zunge zergehen. Ich war ganz Ohr. »Ich bin dein Mann, Herr Schmidt«, betonte ich fest und trank mein Bier in einem Zug aus. Ein Wink zu dem Kellner und ein neues stand vor mir.

»In dem Tresor ist ein magisches Artefakt. Es sieht aus, als ob es aus durchsichtig schwarzem Glas hergestellt wäre. Es hat eine Ähnlichkeit mit einem offenem Auge mit Lid ohne Wimpern. Die Pupille ist ein bisschen heller, aber nicht viel, eigentlich merkt man es erst, wenn man weiß, dass es sie gibt. Dieses Artefakt heißt das Auge Gottes und das wirst du mir beschaffen.«

Ich nickte.

Wir saßen noch zwei Stunden im Pub und etliche Guinness später hatte ich die ganze Sicherheitsanlage im Kopf. Es wunderte mich zwar, warum er es nicht lieber alleine durchziehen wollte, wenn er alle Zugangscodes kannte, aber was soll’s. Herr Schmidt würde schon seine Gründe haben...

Die Idee, meine Chummer zu informieren, verwarf ich schnell wieder. So wie sie immer hinter allen magischen Artefakten her waren, würden sie wahrscheinlich vorziehen, das Auge Gottes selbst zu behalten und zu erforschen. Und außerdem müsste ich das Geld teilen...

Ich ließ mir von Searcher als Anzahlung 20k¥ geben und kaufte mir Rituelle Materialien für die Beschwörung eines Luftelementars. Auch wenn ich gerne einen Elementar mit größerer Kraft gehabt hätte, entschied ich mich für eine eher durchschnittliche Version. Es wäre mehr als peinlich, wenn ich den Elementar nicht beherrschen könnte. Nach der erfolgreichen Beschwörung gab ich dem Luftelementar den Namen Diebeshauch und erklärte ihm, was ich von ihm erwarten würde. Dann schickte ich ihn in die Warteschleife, wie Alexej den Zustand manchmal nannte.
 

Rückblende Ende

Nach dem Run

Wir versteckten uns in Alexejs Bleibe, wo er jetzt wohnen musste, bevor seine neue Villa fertig gebaut wird. Es war nicht besonders schwierig für ein paar Stunden zu verschwinden, weil sich alle für den erbeuteten Dolch interessierten.

Ich traf Searcher in der Nähe des Flughafens. Meine SIN war vollkommen in Ordnung (das war das Gute daran, mit Al unterwegs zu sein, er sorgte immer für gut gefälschte Identitäten) und deswegen konnte ich Searcher auf das Flughafengelände begleiten. Ich übergab ihn das Auge Gottes. Laut meiner Nachforschungen in der kurzen Zeit, als sich das Artefakt in meinem Besitz befand, war es nur ein Kraft 2 spezifischer Zauberfokus für einen mir unbekannten Hellsichtzauber, eigentlich nichts, was den Preis von 250k¥ rechtfertigte. Aber na ja, Herr Schmidt musste es ja wissen, wofür er sein Geld ausgab. Ich bekam das Geld und wir alle waren zufrieden.

Mehr aus Neugier beobachtete ich Searcher, wohin die Reise gehen sollte. Er kam zu einem Schalter, gab das Auge Gottes zum Transport an. So wie ich sehen konnte, hatte er auch schon alle notwendigen Formalitäten erledigt und wartete auf die Abfertigung. In der Zwischenzeit, während die Formalitäten über die Bühne liefen, gesellte sich zu ihm ein Exec. Mein Verdacht bestätigte sich später, als ich in den Börsennachrichten ein Foto gefunden hatte. Der Exec, der sich mit Searcher auf dem Flughafen getroffen hatte, war einer der Leiter der Laboratorien von Star Walker, die wir ausgeraubt hatten. Und wenn mich meine Augen nicht betrogen hatten, was ich nicht vermutete, hatte der Exec, der Ricardo Wels hieß, einen ganzen Koffer voll von den Masken, die wir in dem Gebäude gesehen hatten. »Irgend etwas geht hier vor«, meinte ich zu mir selbst, »was du noch nicht verstehst.«

Ich wartete, bis das Flugzeug abhob, in dem Searcher und Wels saßen, und Kurs nach Hawai’i nahm. Dann ging ich nachdenklich nach Hause.
 

 
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